
Ich liebe es, Mama zu sein. Für jemanden da zu sein. Zu lieben, umsorgen, kümmern, zu organisieren. Einem neuen Erdenbürger die Welt zeigen und erklären - das ist für mich der Sinn des Lebens, nach dem ich so lange gesucht hatte. Wie kompliziert ist doch diese Welt, in die unsere Kinder geboren werden! Wenn man das Leben noch einmal aus Kinderaugen sehen kann, ist das was vorher selbstverständlich war, plötzlich ein kleines Wunder! (Wie krass ist es eigentlich, dass man mit einem Flugzeug fliegen kann?! Wie ein Vogel!! :D)
Wenn man Mutter wird, verschieben sich von jetzt auf nachher die Prioritäten des Lebens. Früher hatte man Probleme, die heute überhaupt keine Rolle mehr spielen. Bei mir zumindest nicht. Was habe ich mich gefragt "Mag der oder die Kollegin mich?", "Was denken die über mich?", "Nehmen die mich ernst, obwohl ich so jung aussehe?", "Halten die mich für kompetent und eventuell auch clever?", "Sehe ich heute gut aus?", "Was möchte ich erreichen?". Man sieht schon "MICH, ICH." Die Welt dreht sich um einen selbst. Bei vielen Menschen beobachte ich diesen Egoismus aber noch ausgeprägter, als bei mir. Eigentlich bin ich sehr emphatisch; es ist mir wichtig, dass es den Menschen um mich herum auch gut geht. Dennoch hat sich natürlich in meiner Welt alles um mich gedreht. Meine Äußerungen der Bedürfnisbefriedigung und Ansprüche haben sich aber eher an mich persönlich gerichtet. Meistens zumindest. :-)
Das hat sich nun geändert. Um mich geht es als Letztes. Meine Bedürfnisse stehen hinten an. Ich mache das wirklich gerne, ich liebe meinen Sohn über ALLES. Das ist aktuell mein Job. Präsent zu sein für mein Minime, Liebe zu schenken, zu erziehen, das Leben zu lehren und Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen. Es ist wunderschön! Und da gibt es natürlich eine Million Bedürfnisse, die ein kleiner Mensch am Tag so äußert! Da kommt man teilweise ganz schön ins schwitzen. :D
Manchmal bin ich ausgelaugt, müde und kraftlos. Das ist meistens nach turbulenten Nächten oder aber auch wenn ich zu lange zu wenig Zeit für mich selbst hatte. Zu wenig MEINEN BEDÜRFNISSEN nachkomme kann. Die Rolle als Mutter ist anders als als Arbeitnehmer. Nach dem Job, bei dem man sich zwar auch überwiegend um fremde Bedürfnisse gekümmert hat, geht man wieder seinen Bedürfnissen nach, legt sich auf die Couch und sieht fern, trinkt mit Freunden ein Glas Wein, geht schwimmen oder lässt sich vielleicht sogar massieren. Man hat Feierabend, den man sich selbst widmen kann. Als Mutter hat man fast nie Feierabend. Selbst wenn der kleine Wirbelwind im Bett liegt und schläft, ist man mit einem Ohr beim Babyphone. Man ist "in Bereitschaft". Feuerwehrmänner können das vielleicht nachvollziehen :D - bei mir geht sofort der Puls, wenn sich Mini bereits nach einer Stunde Schlaf am Abend wieder lautstark durchs Babyphone meldet. Dann weiß ich: "Diese Nacht wird vermutlich sch..!." Oft hat man als Mama zumindest Phasenweise einen Exklusivvertrag mit seinem Kind. Da kann dann auch niemand anders helfen. Nicht mal der Papa. Das ist bei uns momentan so. Und so kommt es, dass ich, wenn ich mal meinen Bedürfnissen nachgehe und mit meinen Mädels auf ein Glas Wein weg bin, zwar etwas Erholung habe, aber immer mit schlechtem Gewissen. Ich weiß, wie die Situation gerade vermutlich zu Hause eskaliert, wie mein Mann kämpft und schwitzt, weil Mini nicht so einfach ins Bett zu bringen ist. Hier kommt wieder meine Empathie ins Spiel. Fluch und Segen.
Was dazu kommt ist, dass ich schlecht bin im Einfordern. Ich sollte mehr für mich tun, aber so ist es halt manchmal einfach bequemer. Das ist doof. Vor allem für mich und meine Erholung. Ich fühle mich schlecht, wenn ich meinem Mann einen Termin schicke mit meinem nächsten Mädels Date. Ein Termin mit "me time". Mein Mann sagt nie nein, wenn ich mir etwas vornehme. Er fragt höchstens etwas ängstlich "Was meinst du denn, wann du dann wieder da bist?" ;). Trotzdem habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen. Er arbeitet die ganze Woche, steht mitten in der Nacht auf, weil er teilweise die erste Besprechung um 6:00 Uhr morgens hat. Manchmal kommt er nicht dazu, Mittag zu essen. Er arbeitet viel. Da fühle ich mich unwohl beim Freizeit einfordern. Schließlich verbringe ich meine Nachmittage auf dem Spielplatz, bei meinen Eltern oder beim Playdate mit Kaffee und Gesprächen mit Freundinnen. Das macht schon sehr viel Spaß. Nur so viel hat das mit richtiger Freizeit auch nicht zu tun. Das Aufpassen, umsorgen, versorgen, organisieren und kümmern ist auch nicht ohne.
"Cappuccino-Mütter, die auch noch rumjammern" werden wir in verschiedenen Artikeln genannt. Verfasser dieser Texte sind aber vermutlich Menschen, die keine Kinder haben - oder jene, die sich noch nie für mehrere Wochen oder Monate um ein Kind 24/7 gekümmert haben. Da sagt sich sowas leicht. Aber berechtigt ist das nicht immer. Sicher, die beiden Jahre Elternzeit, die ich momentan noch genießen darf, sind die schönsten meines Lebens. Aber wenn ich an die vergangenen Monate zurückdenke, habe ich nicht nur in der Sonne sitzen und Cappuccino trinken im Sinn. Das war viel mehr. Mama sein ist nicht immer so easy, wie es nach außen hin vielleicht aussieht. Oft geht einem Kaffee in der Sonne eine furchtbare Nacht voraus, die lässige Sonnenbrille verdeckt die dunklen Augenringe und das Gelächter mit den anderen Mamas ist die einzige Möglichkeit an diesem Tag, ein bisschen Entspannung zu tanken. Weil zum Beispiel das zahnende Kind gerade extrem fordert. Der gestresste Banker, der uns Mamas im vorbeigehen vorschnell verurteilt, hat sicher einen anstrengenden Tag. Aber irgendwann sitzt auch er mit seinen Kumpels an der Bar und trinkt Bier. Und wir Mamas sitzen dann um diese Zeit neben dem Kinderbettchen und träumen von Feierabend.
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Mamilla (Montag, 23 Oktober 2017 16:12)
Ich wünsche dir noch viel viel Kraft. Das Mutter sein ist natürlich nicht einfach, aber erst mit dem eigenen Erleben kann man sich das so richtig vorstellen wie anstrengend das Leben als junge Mutter sein kann. Das Bild mit der Kindersonnenbrille ist einfach zu goldig!